Biber

15.07.2022

Der Biber ist in unseren Gewässern wieder heimisch

Biber ertrinken immer wieder in Abwasserschächten. Um die Tiere davor zu schützen, wird im Tierpark Bern eine rostartige Struktur getestet, welches das Eindringen in Schächte durch eine einfache bauliche Massnahme verhindern soll. Text von Timon Bucher, Lyss

Die Biberpopulation ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Die grossen Gewässer sind durch den Biber fast ausnahmslos besetzt. Die steigende Population sorgt dafür, dass sich junge Biber auf der Suche nach freien Gewässerabschnitten immer weiter in kleinere  Bäche vorwagen. Vor allem in Siedlungsgebieten weichen Biber vermehrt auf technische Infrastrukturanlagen aus. Sie richten Ihre Wohnbaue in eingedolten Gewässern oder Abwasseranlagen ein.

Viele Abwasseranlagen haben für den Fall eines starken Niederschlagsereignisses eine Überlastleitung, welche in ein offenes Fliessgewässer mündet.

Diese Anlagen stellen für den Biber oft eine gefährliche Falle dar. So können die Tiere oft durch die Leitungen in die Bauwerke eindringen, fallen dort aber zum Teil in Becken, aus denen sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommen. Oder aber sie etablieren in den Becken ihren Bau und schleppen dazu jede Menge Holz und Nestmaterial in die Bauwerke. Im Falle einer Überlastung können die Anlagen dann nicht mehr richtig funktionieren und es kommt zu Verklausungen.

Zum Schutz des Bibers sowie zur Sicherung der Infrastrukturanlagen galt es ein System zu entwickeln, welches möglichst wartungsarm und einfach zu montieren ist.

Im Falle einer Entlastung werden mit dem abgeleiteten Wasser oft auch verschiedene Feststoffe transportiert. Würde das Rohr nun einfach mittels Gitter gegen das Eindringen des Bibers gesichert werden, so würden die Feststoffe an diesem Gitter hängen bleiben und die Kapazität der Leitung reduzieren oder gar ganz verschliessen.

Oft werden heute in solchen Situationen Rückstauklappen oder schwenkbare Gitter verbaut. Bei solchen Systemen handelt es sich um mechanische Apparaturen, welche regelmässig gewartet und überprüft werden müssen. Durch den stetigen Wechsel zwischen feucht und trocken sind die gängigen Systeme oft wartungsanfällig.

Im Zuge der regelmässigen Arbeiten entlang der Fliessgewässer wurden wir immer wieder mit dieser Situation konfrontiert. Um zukünftig solche Situationen zu verhindern, haben wir uns Gedanke dazu gemacht, wie eine Vergitterung der Ausläufe ohne Verklausungsgefahr erstellt werden könnte. In Zusammenarbeit mit dem Jagdinspektorat des Kantons Bern und der Gemeinde Lyss konnte die Urbanum AG im Herbst 2019 ein erstes neu entwickeltes Biberschutzrohr bei einer Entlastungsleitung einbauen. Kurze Zeit vorher verendeten im Pumpwerk der Entlastungsleitung zwei Biber auf der Suche nach einem neuen Bau. Der Einbau wurde im Zuge einer Semesterarbeit begleitet und die Wirkung dokumentiert. Um die Funktion zu überwachen, wurde das installierte Biberschutzrohr über 6 Monate mittels Wildkamera überwacht und die Funktion dokumentiert. Leider konnte in den 6 Monate keine Biberaktivität am System aufgezeichnet werden. Dennoch kann der Einbau als Erfolg gewertet werden. Die Infrastruktur funktionierte immer einwandfrei. Kurze Zeit später konnte eine weitere Leitung mit dem Biberschutzrohr gesichert werden.

Das Bedürfnis, die Funktionalität des Systems zu dokumentieren und aufzuzeigen, war von Anfang an von grossem Interesse. Die eingebauten Biberschutzrohre wurden daher immer mittels Wildkameramonitoring begleitet. Ein Eindringversuch konnte dennoch nie dokumentiert werden. Dieser Umstand ist wohl weniger auf die fehlende Aktivität des Bibers zurückzuführen als vielmehr darauf, dass die Wildkamera mittels PRI-Sensor (Passiver-Infrarot-Sensor) arbeitet und dadurch die Bildauslösung startet. Im Wasser schwimmend oder gar tauchend verursacht der Biber kaum erkennbare Wärmestrahlungen. Was dazu führt, dass die Kameras nicht ausgelöst wurden. Es stellte sich für uns daher die Frage, wie der Nachweis der Funktionalität des Systems erbracht werden kann. Durch das Jagdinspektorat und die nationale Biberfachstelle wurde der Kontakt zum Tierpark Bern Dählhölzli hergestellt. Die Möglichkeit eines Versuches im Gehege des Bibers wurde diskutiert und gutgeheissen. In enger Zusammenarbeit mit Christof Angst und Stefan Hoby wurde ein Versuchskonzept erarbeitet und eine Tierversuchsbewilligung beim Veterinäramt beantragt.

Das Versuchskonzept sah vor, den im Gehege des Dählhölzi lebenden Biber auf einen bestimmten Futterplatz zu konditionieren. Nach erfolgter Konditionierung sollte der Zugang zum Futterplatz mittels eines Zaunes eingeschränkt werden und nur noch von der Wasserseite her zugänglich sein. Im nächsten Schritt wurden zwei Rohre mit unterschiedlichem Durchmesser beim Zugang positioniert, welcher der Biber für die Erreichung der Futterstelle passieren muss. In der Intensivphase des Versuches sollte dann das Biberschutzrohr in die Leerrohre eingebracht und so der Zugang zum Futterplatz für 48 Stunden verwehrt werden. Um sicher zu gehen, dass sich der Biber während des Versuches nicht verletzt, wurde die intensiv Phase dauerhaft vor Ort überwacht.

Im Mai 2021 konnte dann mit dem ersten Versuch begonnen werden. Die Konditionierung dauerte ca. 1 Monat, so dass am 29. Juni 2021 die Intensivphase durchgeführt werden konnte. Bereits am ersten Abend versuchte der Biber mehrmals das Biberschutzrohr zu überwinden. Dies konnte gut dokumentiert werden. Nach mehrmaligem Versuch, das System zu überwinden, resignierte die Biberdame und begnügte sich mit den im Gehege vorhandenen Pflanzen als Mahlzeit. Auch am zweiten Abend konnte das Biberschutzrohr trotz mehrmaligem vehementem Versuch nicht überwunden werden. Ein grosser Erfolg für das Biberschutzrohr konnte so erzielt und dokumentiert werden.

Im Frühling 2022 ergab sich dann durch eine Neubesetzung des Bibergeheges erneut die Möglichkeit, das Biberschutzrohr an zwei neuen Bibern zu testen. Die beiden Tiere waren deutlich kleiner als der erste Biber und stellten daher eine neue Herausforderung für das System dar. Unverändert wurde auch hier die Konditionierung erarbeitet und im April 2022 die Intensivphase durchgeführt. In den 48 Stunden des Versuches mit eingebautem Biberschutzrohr konnte das System trotz mehreren Versuchen nicht überwunden werden.

Das System konnten wir in dieser Zeit bereits schweizweit in unterschiedlichen Grössen und Formen installieren. Der erneute erfolgreiche Versuch bekräftigte unser Vorhaben, mit dem Biberschutzrohr sowohl die Biber als auch die sensiblen Infrastrukturanlagen zu schützen und grosse Schäden und tödliche Fallen für die Biber zu verhindern.

Die gesamte Versuchsreihe wäre ohne die grosse Unterstützung verschiedener Partner nicht möglich gewesen. Wir möchte hier allen Beteiligten vielmals für die Unterstützung und Mithilfe danken. Insbesondere gilt der Dank folgenden Personen: Christof Angst (Biberfachstelle), Stefan Hoby (Tierpark Bern), Karin Thüler (Jagdinspektorat Kanton Bern), Christof Zurbuchen (Tierpark Bern)

Die Haltung von Bibern im Tierpark haben wir zugunsten der Haltung von Fischottern aufgegeben.

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