Eine «Partnerbörse» für den Eurasischen Luchs

Ein Luchs schaut in die Kamera

15.02.2023

Damit die Eurasischen Luchse Europas ihren passenden Partner finden, sind sie Teil eines internationalen Erhaltungszuchtprogramms

In dieser Partnerbörse geht es in erster Linie nicht um die Sympathie, die Genetik ist der entscheidende Faktor welche Luchse sich verpaaren dürfen. Über den Zuchterfolg entscheidet am Ende trotzdem die Chemie zwischen den beiden. Der Tierpark Bern führt neu das Zuchtbuch für den Eurasischen Luchs in Europa.

In europäischen Zoos und Tierparks leben über 370 Eurasische Luchse. Ihre Artgenossen in der Natur werden die wenigsten Menschen je zu Gesicht bekommen. In zoologischen Institutionen dienen die Luchse als Stellvertreter und machen auf den Rückgang der wilden Population aufmerksam. Sie weisen auf Gefahren, wie die Lebensraumzerstückelung und den Mensch-Tier-Konflikt hin. Der Eurasische Luchs gilt in der Schweiz als stark gefährdet und ist daher Teil eines Erhaltungszuchtprogramms (EEP). Darin wird darauf geachtet, dass die Zoopopulation vom Eurasischen Luchs gesund ist und bleibt. Für eine gesunde Population braucht es einen möglichst grossen Genpool – das heisst, die Luchse sollen viele unterschiedliche Gene tragen. Das erreicht das EEP durch die gezielte Zucht. Inzucht soll weitgehend verhindert werden, um die genetische Vielfalt zu erhalten.

Bei über 370 Eurasischen Luchsen in 141 verschiedenen Institutionen ist es gar nicht so einfach, den Überblick über die Genetik der Luchse und deren Zuchterfolge zu behalten. Deshalb gibt es für Arten mit Erhaltungszuchtprogrammen, sogenannte EEP Koordinatoren. Das sind Biologinnen, Tierärzte oder Tierpflegende, die ein Zuchtbuch führen. Im Zuchtbuch für den Eurasischen Luchs sind alle Luchse einzeln eingetragen, mit einer Art Identitätskarte. Darauf ist unter anderem der Geburtstag und -ort, das Geschlecht, der Stammbaum und eine spezifische Identifikationsnummer – die Zuchtbuchnummer – eingetragen. Auch Informationen über den Fruchtbarkeitsstatus sind dort eingetragen. Wenn ein Tier also kastriert oder unter hormoneller Kontrazeption steht, weiss der Zuchtbuchführende anhand der Identitätskarte jedes einzelnen Luchses Bescheid. Das ist wichtig, damit die Zuchtempfehlungen gezielt ausgearbeitet werden können. Dafür wird ein Programm zur Hilfe gezogen, welches aus all den Informationen im Zuchtbuch die genetische Kompatibilität für alle Luchse ausrechnet. Der Zuchtbuchführende setzt die Paare zusammen und achtet darauf, den Inzuchtfaktor möglichst klein zu halten und die genetische Vielfalt innerhalb der Population zu erhöhen. Da ist es gut möglich, dass Luchse verkuppelt werden, die zu gegebenem Zeitpunkt in verschiedenen Zoos oder Tierparks wohnen. Für solche Zuchtempfehlungen braucht es reichlich Zeit, Vorbereitung und Kommunikation zwischen den Zoos, damit der Transport stattfinden kann und die Luchse vergesellschaftet werden können für die spätere Verpaarung. Wie bei jeder Partnerbörse führt die Empfehlung nicht in jeden Fall zum «perfect Match». Auch bei den Luchsen muss erst die Chemie stimmen, damit es zur erfolgreichen Zucht kommt.

Ein Luchs läuft über den Waldboden
Ein Luchs versteckt sich hinter Geäst

Die Paarungszeit vom Eurasischen Luchs ist im Frühjahr

Damit noch genug Zeit bleibt für den Transportvorgang und die Vergesellschaftung, müssen die Zuchtempfehlungen bereits im Herbst ausgesprochen werden. Seit März 2022 wird das Zuchtbuch für den Eurasischen Luchs im Tierpark Bern geführt. Das Zuchtbuch für den Eurasischen Luchs ist ein ganz Besonderes. Es besteht aus zwei Unterarten – dem Nordluchs und dem Karpatenluchs. Besonders für die Karpatenluchse wird es ab nächstem Jahr spannend. Da es auch für die wilden Artgenossen schon lange nicht mehr einfach ist im Freiland einen Partner zu finden, sind auch sie auf unsere Partnerbörse angewiesen. Die Karpatenluchse aus dem Zuchtbuch werden zukünftig für Auswilderungsprojekte in Betracht gezogen. Welche Luchse ausgewildert werden können, bestimmt deren Genetik. Wissenschaftler beproben wilde Luchse in der Natur seit Jahren und wissen, welche Tiere sich eignen, um den Bestand in der Natur mit Luchsen aus dem Zoo aufzufrischen. So wird es in Zukunft hoffentlich auch für die wilden Karpatenluchse wieder einfacher, eine Partnerin oder einen Partner zu finden.

In den letzten Jahren wurde zu wenig Nachwuchs erzeugt, um die Zoopopulation erhalten zu können und genügend Karpatenluchse für die Auswilderung zur Verfügung zu stellen. Daher wurden diesen Herbst viele Zuchtempfehlungen ausgesprochen. Nun heisst es Daumendrücken, damit viele Verpaarungen erfolgreich sind und es viel Luchsnachwuchs geben wird im nächsten Jahr.

Luchs-Neulinge im Tierpark

Ein neues Luchspaar ist Anfang Februar 2023 im Tierpark Bern angekommen. Nachkommen dieses genetisch sehr wertvollen Zuchtpaares des Eurasischen Luchses sollen zukünftig auch ausgewildert werden.

Mehr zu den Luchs-Neulinge im Tierpark

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